05.02.2007

Karhunkierros - Bärenrunde in Oulanka

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Heute, am Freitag, starten Marko, Paul und ich um sechs Uhr mit dem Auto Richtung Nationalpark Oulanka. Am Morgen ist es gar nicht so kalt in Oulu, wir müssen nur den über Nacht gefallenen Schnee vom Auto fegen und die Scheiben freikratzen (innen und außen)... Auf vereister Straße fahren wir Richtung Nordosten. Hinter Kuusamo passieren wir den Polarkreis - jetzt befinden wir uns der Arktis. Die Straßen sind mittlerweile völlig vereist und von Schnee bedeckt, man sieht den Teer teilweise nicht einmal mehr. Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, immer langsam zu fahren und ganz viel Abstand zu halten... 15 km nach Ruka, einem Skiressort, biegen wir nach Osten ab und fahren auf einer kleinen Straße Richtung Informationszentrum, unserem Startpunkt. Die Straße ist total einsam und führt durch welliges Gelände Richtung Osten, Richtung Russland.

Als wir das Infozentrum erreicht haben, befinden wir uns 30 km nördlich des Polarkreises und 13 km westlich der russischen Grenze. Draussen hat es etwa minus 20 Grad. Beim Aussteigen aus dem Auto bekommt man einen regelrechten Temperaturschock, da im Auto komfortable 27 Grad herrschen... Man muss die Heizung leider so hoch einstellen, da sonst die Frontscheibe sofort vereist und man keine Sicht mehr hat. Die Seitenscheiben sind sowieso immer vereist, innen und außen... Wie wir nach unserer Wanderung wieder zu diesem Parkplatz mitten im Nirgendwo zurück kommen sollen, verdränge ich momentan noch.

Der Bärenwanderweg im Nationalpark Oulanka ist 80 km lang und führt von Norden nach Süden nahe der russischen Grenze durch völlig einsames Land. Auf dem Weg liegt nur das Informationszentrum des Nationalparks und 3 km abseits etwas später das Dorf Juuma. Im Park gibt es Elche, Bären, Rentiere und Wölfe, die wir aber leider nicht angetroffen haben... In regelmässigen Abständen am Weg findet man Unterstände, Feuerplätze und Übernachtungshütten mit Ofen vor.


Dick vermummt vor unserem Start am Infozentrum, die Schneeschuhe noch am Rucksack befestigt, da der erste Teil des Weges von einem Schneemobil befahren wurde. Entlang des Flusses Oulankajoki wandern wir auf der Schneemobilspur (es ist sogar die Treppen hochgefahren) Richtung Ansakämppä-Hütte. Ich merke, dass ich meine Erkältung entweder noch nicht auskuriert hatte oder wahrscheinlicher mich in der Nacht erkältet habe, da ich das Fenster offen hatte. Das Atmen in der kalten Luft fällt mir ziemlich schwer und ich stecke meine Nase auf weiten Strecken unter den Kragen meiner Jacke... Außerdem läuft meine Nase in einem durch. Ein Taschentuch herauszuholen ist mit den dicken Handschuhen unmöglich und Handschuhe ausziehen wäre noch schlimmer, denn die Finger werden sofort eiskalt und brauchen Minuten, um wieder warm zu werden. Also benutze ich meinen Handschuh zum Schneuzen... Klingt so igitt wie es ist, denn es friert sofort am Überhandschuh fest und bildet eine Art Kruste. Wenn der Handschuh dann abends getrocknet und erwärmt wird verschwindet sie aber wieder auf wundersame Weise und zurück bleibt nur ein wenig Salz...


Der Oulankajoki zu Beginn unserer Wanderung. Unter dicken Eisschichten fließt das Wasser hier udrch Stromschnellen Richtung Russland. Im Sommer müssen hier mächtige Stromschnellen zu sehen sein...


Einige Kilometer später wird der Weg verschneiter und wir ziehen die Schneeschuhe an. Danach kommen wir viel schneller voran, es macht viel aus, ob man mit Schneeschuhen geht oder nicht, selbst, wenn man kaum einsinkt. Wir laufen zunächst direkt unten im Tal entlang des Flusses, queren ab und an Zuflüsse auf Brücken. Später führt der Weg nach oben auf die Geländekante über dem Tal und immer dieser folgend bis zu unserem Ziel für die Mittagspause...


Wir erreichen die Ansakämppä Hütte, in der wir Mittagspause machen. Wir essen Brot, Käse und Salami bis wir satt sind und eiskalt... Sobald man aufhört sich zu bewegen, wir einem hier sofort kalt. Als wir gerade gehen wollen, kommt ein Deutscher aus Mannheim an, der hier übernachten will. Er macht den ganzen Bärenweg in einer Woche und hat eine Pulka für sein Essen und seine Ausrüstung dabei. Mit dieser Pulka wird er später noch große Probleme bekommen, kann ich mich mir vorstellen...


Um 15 Uhr etwa wird es dunkel und wir sind gezwungen, mit Stirnlampen weiter Richtung Jussinkämppä Hütte zu gehen. Es ist sehr schwer im Dunkeln die orangen Farbpunkte auf den Bäumen zu sehen und oft bleiben wir stehen und suchen nach der nächsten Markierung. Für kurze Zeit folgt der Weg noch dem Oulankajoki. Nach einer etwa anspruchsvollen Durchquerung eines Zuflusses biegt der Weg dann nach Westen ab und führt Richtung Kulmakkajärvi. Etwa 1 km vor dem See beschließen wir einer Schneemobilspur zu folgen, da das Spuren sehr anstrengend. Dieser Entschluß kostet uns etwa eine Stunde und 1,5 km zusätzlich, da wir wieder umkehren müssen. In dem flachen Gelände haben wir hoffnungslos die Orientierung verloren. Außerdem scheint die Spur zu einem Forschungsbezirk zu führen, der abseits unserer Route liegt. Also folgen wir wieder den orangen Punkten und nach etwa 2 Stunden gelangen wir zur Jussinkämppa-Hütte - ein langer und schwer zu findender Weg! Wir sind froh, die Hütte nach etwa 21 km endlich gefunden zu haben.


Uns ist kalt, und in der Hütte scheint es noch kälter als draussen zu sein, meine Uhr zeigt -20 Grad an. Deshalb versuchen wir als allererstes ein Feuer in Gang zu bekommen. In der Hütte ist zu wenig Holz und das Holz von draussen ist nass. So dauert es ewig, bis das Feuer Wärme entwickelt. Zudem muss ich auf das Dach klettern und den Kamin vom Schnee befreien... Marko macht unterdessen kleine Späne für das Feuer, Paul versucht es anzuzünden...


Paul gibt sich allergrößte Mühe, aber das nasse Holz will einfach nicht vernünftig brennen. Mir ist sehr kalt und ich warte sehnsüchtig auf die Wärme des Ofens. Meine Erkältung hat sich merklich verschlechtert... Zum Abendessen gibt es Spaghetti mit Pesto, Kekse und Brot. Wir essen Unmengen, da die Kälte uns große Kräfte abverlangt. Als wir gerade fertig sind, kommt eine Gruppe mit Schneemobilen an der Hütte an. Als sie sehen, dass schon jemand da ist, fahren sie sofort wieder ab... Etwas seltsam, sie haben mich nicht mal richtig gegrüßt, als ich vor die Hütte kam.


Endlich im warmen Schlafsack... Wir haben alle Bänke vor dem Ofen zusammengestellt und schlafen dicht nebeneinander, um uns gegenseitig zu wärmen. Der Kopf ist in der Nähe des Ofens und somit bequem warm, während meine Füße in der Nähe der Tür etwa einer Außentemperatur (außerhalb des Schlafsacks) von -17 Grad ausgesetzt sind. Die Hütte ist leider viel zu groß, als das der Ofen und nur 3 Leute sie aufheizen könnten, so friere ich die ganze Nacht. Selbst als ich völlig in meinem Schlafsack bin, sogar mein Kopf, und die Öffnung ganz zu ist, friere ich noch immer...

Morgens wachen wir alle ziemlich verfroren auf und versuchen das Feuer wieder in Gang zu kriegen - leider erfolglos. Also ganz warm anziehen: lange Thermo-Unterhose, Hose, Skihose für die Beine, T-Shirt, langes Unterhemd, Pulli, Windstopper-Jacke, Daunen-Jacke, Softshell-Jacke und Goretext-Jacke halten mich zum Glück warm und wir können in Ruhe das Frühstück genießen. Ich fülle mich wie ein Luftballon... ausgestopft... soviel Kleidung... Mein T-Shirt ist noch immer feucht von der Nacht im Schlafsack, aber wechseln ist bei dieser Kälte unmöglich... Außerdem stinke ich erbärmlich, da die Feuchtigkeit nicht auslüften konnte... Was ich jetzt wohl für eine warme Dusche geben würde?

Wir beschließen, die Tour auf 2 Tage abzukürzen, da wir nicht noch einmal so eine kalte Nacht verbringen möchten. Wir werden also versuchen, heute bis Juuma zu laufen und dann irgendwie zum Auto zurückzukehren.


Wieder den orangen Punkten folgend spuren wir am nächsten Tag durch welliges Gelände bis zum Fluss Kitkanjoki. Die Landschaft ist beeindruckend - dick verschneite und eingeeiste Bäume, lockerer und kalter Pulverschnee, Schneeflocken in perfekter Kristallform... Um meinen Hals hängt Pauls Kompass... Teilweise haben wir nämlich massive Probleme, den Weg zu finden und es dauert immer eine ganze Zeit bis einer von uns den nächsten orangen Punkt entdeckt.


Für einige Zeit können wir am Fluss einer Schneemobilspur folgen, die aber bei einem Unterstand endet. Ab diesem Unterstand treten die Uferhänge des Flusses enger zusammen. Bisher konnten wir auf flachen Flussterrassen bequem durch den lichten Wald wandern. Nun müssen wir oberhalb des Flusses am Steilhang entlang queren. Da der Weg auf der Außenseite einer großen Flusschlinge verläuft, befindet sich das offene Wasser direkt unter uns, ein Ausrutscher wäre fatal. Man würde zum einen nass sein, und noch schlimmer - wenn man ganz ins Wasser fiele, würde einen die Strömung unters Eis reissen... Dementsprechend vorsichtig gehen wir. Nachdem Paul einmal zweieinhalb Meter den Hang hinunter schlittert gehen wir noch vorsichtiger.


Der Fluss ist zum Teil über einen Meter dick zugefroren, nur in der Hauptströmung sieht man noch Wasser. Es wirkt unheimlich, da es sehr dunkel ist und man keinen Grund sieht. Auf den Strecken, in denen wir uns nicht in der Außenseite der Flussschlingen befinden, laufen wir ganz am Rande des Flusses auf dem Eis entlang, stets besorgt, dass es nicht hält. Meine Intuition scheint mir aber ganz gut zu helfen, denn als das Wasser einmal nur von Schnee bedeckt ist, sagt mir ein Bauchgefühl, dass wir hier besser umdrehen. Außerdem kontrollieren wir ständig mit den Stöcken und Sprüngen, ob wir uns sicher sein können.


Es ist ziemlich beeindruckend zu sehen, wie der Fluss unter der dicken Eisschicht hindurch fließt und sich zum Teil über dem Eis neue Wege sucht (die grünen Stücke im Bild). Gleichzeitig ist es auch sehr unheimlich. Mit dieser Art von Wegsuche haben wir noch überhaupt keine Erfahrung und dementsprechend vorsichtig müssen wir sein...


Wir queren mal wieder einen kleinen Zufluss auf einer schmalen Holzbrücke...


Wir kommen unserem Endziel, dem Örtchen Juuma immer näher, aber sind noch immer 5 km zu laufen. Die Landschaft ist wieder eintöniger geworden, seit wir den Fluss verlassen haben und etwa 100 Höhenmeter aus dem Tal aufgestiegen sind.


Interessanteres Gelände folgt erst, als wir den Feuerplatz Kallioportti und eine Weggabelung erreichen (Juuma / Silastuppa). Durch steiles Gelände geht es nun auf und ab, teilweise auf Treppen - mit Schneeschuhe gar nicht so einfach - teilweise auf steilen Pfaden. Etwa 1 km später erreichen wir ein Hochplateau auf dem es nun Richtung Juuma geht. Es ist schon wieder am dunkel werden als wir diese Hängebrücke erreichen und die Stirnlampen aufsetzen. Ich hatte meine Lampe in der Hosentasche, um sie zu wärmen, ebenso Fotoakkus, Handy und Uhr...


Nach einer weiteren Brücke, der toll am Fluss gelegenen Hütte Myllykoski und einigen Kilometern erreichen wir endlich das kleine Örtchen Juuma. Auf den letzten Metern gibt mein Schneeschuh den Geist auf - zum Glück passiert das erst jetzt, früher wäre es fatal gewesen!

In Juuma klopfen wir beim ersten Haus, die alte Dame, die dort wohnt spricht aber nur finnisch. Auch beim nächsten Haus haben wir kein Glück, nur ein misstrauischer Hund leistet uns Gesellschaft. Wir fürchten schon, auf der Straße bis zum Auto laufen zu müssen, als wir bei einem etwas abweisendem Bauern doch noch Hilfe bekommen. Er ruft uns ein Taxi, dass uns die 20 km zum Auto zurückfährt. Wir warten 20 Minuten an der Straße auf das Taxi, hinundher laufend um nicht zu frieren. Es ist unglaublich schön, in das warme Taxi zu steigen, nachdem wir 2 Tage lang eigentlich nur eisiger Kälte ausgesetzt waren.

Am Auto angelangt ziehen ich ich mir Turnschuhe an und dann fahren auch schon los, da es einfach nur kalt ist... Nach einiger Zeit halten wir zum Tanken und ich ziehe mir die warmen Sachen aus. Meine unteren Schichten der Kleidung riechen, ebenso wie meine Haare, alles andere als gut...

Um 23:00 Uhr erreichen wir Oulu nach langer Fahrt auf verschneiter Straße... jedes Mal wenn ein Auto entgegen kam, musste man runterbremsen auf 10 km/h, da man wegen des aufgewirbelten Schnees die Straße nicht mehr sehen konnte... In Oulu schmeiße ich meine stinkigen Klamotten in einen Eimer und weiche sie ein, dann nehme ich eine halbstündige Dusche unter heißem Wasser.

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